
Obwohl Modell- und auch Experimentalraketen prinzipiell gänzlich ohne Bordelektronik fliegen können, macht es in der Regel Sinn, nicht auf einen Flugcomputer und dazugehörige elektronische Systeme zu verzichten. Hauptaufgaben dieser Systeme sind die Auslösung des Bergungssystems zum richtigen Zeitpunkt, sowie das Aufzeichnen und Übermitteln von Telemetriedaten.
Neben den elektronischen Systemen innerhalb der Rakete befasst sich die SG Elektronik auch mit einer Reihe von Systemen am Boden. Dazu gehören zum Beispiel die Bodenstation, die Telemetriedaten der Rakete empfängt und verarbeitet, sowie das Kameraequipment zur Aufzeichnung des Starts.
Viele der Platinen und ein Großteil der Elektronik im Allgemeinen wird von der SG Elektronik spezifisch für ihre Aufgaben designt und vor Ort bestückt und getestet.

ICARUS: Der modulare Flugcomputer des UNITY-Projekts
Im Rahmen des UNITY-Projekts der ERIG entstand der neue Flugcomputer ICARUS (Interconnected Avionics for Recovery of Unmanned Systems). Er wurde mit Fokus auf Modularität, Iterabilität sowie Zuverlässigkeit und Sicherheit entwickelt.
ICARUS besteht aus mehreren Subsystemen, die über den eigens entwickelten ERIG Rocket Bus (ERBus) miteinander verbunden sind. Dieser Bus standardisiert die physischen, elektrischen und Kommunikationsschnittstellen zwischen den Modulen. So lassen sich alle ICARUS-Module leicht austauschen, aufrüsten oder erweitern.
Die Module des Flugcomputers unterteilen sich in zwei Kategorien: Kritische Module wie den IFC, die PSU und das OWL sind für einen sicheren Flug unverzichtbar. Nicht-kritische Module wie die PDHU und die Black Box erfüllen zusätzliche Funktionen, sind aber für eine erfolgreiche Landung nicht zwingend erforderlich.
Die Entwicklung von ICARUS wurde durch die großzügige Unterstützung von STMicroelectronics und Würth Elektronik ermöglicht, die uns den Großteil der elektronischen Komponenten bereitgestellt haben.
IFC (ICARUS Flight Control)
Das ICARUS Flight Control (IFC) Modul ist das zentrale Steuerungssystem der Rakete. Er erfasst Flugdaten und bestimmt den optimalen Zeitpunkt für die Auslösung des Bergungssystems. Zudem koordiniert er die Kommunikation zwischen allen ICARUS-Modulen über zwei CAN-Busse. So steuert es beispielsweise die Nutzlastbetriebsmodi oder weist das Telemetriemodul an, Daten an die Bodenstation zu übermitteln.
Der IFC basiert auf einem STM32F439-Mikrocontroller und ist mit modernen Umweltsensoren wie dem ISM330-IMU und dem ILPS280-Barometer von STMicroelectronics ausgestattet. Für die Speicherung hochauflösender Flugdaten stehen außerdem 64 MB Flash-Speicher zur Verfügung.
PSU (Power Supply Unit)

Die Power Supply Unit (PSU) versorgt die Rakete über zwei redundante Batterien mit Energie. Solange die Rakete an der Rampe steht, leitet sie zudem Daten, die die Groundstation über das Versorgungskabel (umbilical cable) sendet, an den IFC weiter.
Während des Fluges ist die PSU die einzige Energiequelle aller Subsysteme des IFC. Dafür stellt sie 3,3 V und 5 V Spannung über doppelt redundante Spannungswandler für die kritischen Module bereit. Für leistungshungrige Komponenten wie z.B. die Servos zur Fallschirmauslösung kann aber auch direkte Batteriespannung geliefert werden. Solange die Rakete an der Rampe steht, versorgt die PSU außerdem ihre LiFePo-Batterien mit Ladestrom.
Ein STM32G474-Mikrocontroller gewährleistet eine flüssige Kommunikation mit der Bodenstation, während die integrierten ADC-Kanäle kontinuierlich Strom und Spannung überwachen. Zur Minimierung elektromagnetischer Störungen (EMI) werden alle hochfrequenten Bauteile mit WE-SHC-Abschirmgehäusen von Würth Elektronik geschirmt.
OWL (Onboard Wireless dataLink)
Das Onboard Wireless dataLink (OWL) übernimmt die Datenübertragung, sobald die Rakete die physische Verbindung über das Umbilical Kabel verliert. Es nutzt einen LoRa-Transceiver im 868 MHz Frequenzband, um die wichtigsten Systeminformationen an die Bodenstation zu senden. Dank der Spread-Spectrum-Modulation von LoRa ist eine stabile Verbindung mit einer Reichweite von über 40 km in Sichtlinie möglich.
Ein STM32F446-Mikrocontroller verarbeitet und verpackt die Flugdaten aus dem CAN-Bus und überträgt sie an den Transceiver. Außerdem ist ein GNSS-Empfänger integriert, der die Position der Rakete während des Fluges und bei der Landung verfolgt. Ein u-blox GNSS-Chip zusammen mit einer omnidirektionalen Antenne gewährleistet dabei einen stabilen, unabhängig von der Lage der Rakete nach der Landung.
CATS-BOB (CATS Break-Out Board)
Um eine doppelte doppelte Redundanz zur Fallschirmauslösung zu gewährleisten, werden immer zwei unabhängige Flugcomputer eingesetzt: Unser eigener IFC und einen zugekauften, flugerprobten CATS VEGA Flugcomputer. Beide Systeme erfassen Flugdaten und können entsprechend das Bergungssystem auslösen.
Da der CATS VEGA nicht direkt mit dem ERBus kompatibel ist, wurde das CATS Break-Out Board (CATS-BOB) entwickelt. Dieses Adaptermodul versorgt den CATS VEGA mit Strom und leitet Auslösebefehle an alle in den ERBus weiter.
PDHU (Payload Data Handling Unit)
Ein wichtiges Ziel des UNITY-Projekts ist es, eine zuverlässige Rakete zu entwickeln, die es externen Partnern ermöglicht, kleine Nutzlasten (Payloads) mit uns zu fliegen. Um dies zu ermöglichen, haben wir die Payload Data Handling Unit (PDHU) entwickelt. Dafür stellt sie eine standardisierte Schnittstelle zur Energieversorgung, Steuerung und Überwachung der Payloads bereit.
Um flugkritische Systeme vor Fehlfunktionen der Payloads zu schützen, sitzt die PDHU zusammen mit den Payloadkapseln in einem separaten Raketenmodul, besitzt eine eigenständige Stromversorgung und hat nur begrenzten, galvanisch getrennten Zugriff auf den ERBus.
Ein leistungsstarker STM32F407-Mikrocontroller sorgt für einen reibungslosen Ablauf auf der PDHU, während andere Systembausteine wie der TSC214-Strommessverstärker die Aktivitäten der Nutzlast genau erfassen.
Black Box
Im Falle eines kritischen Fehlers während des Fluges ist die Bergung von Flugdaten entscheidend, um die Fehlerursache zu identifizieren und zukünftige Designs zu verbessern. UNITY-Raketen sind daher mit einer eigens entwickelten Black Box ausgestattet, die jegliche Kommunikation von ICARUS aufzeichnet. Die Flugdaten werden redundant auf zwei Flash-Chips gespeichert, die in Silikonharz eingebettet und durch ein gefrästes Aluminiumgehäuse geschützt sind. Die Daten werden auf zwei redundanten Flash-Speichern gespeichert, die in Silikonharz eingebettet und durch ein gefrästes Aluminiumgehäuse geschützt sind. Dieses robuste Design gewährleistet die Datenintegrität selbst bei einem Absturz der Rakete.